Ulrich Lechte

Handlungsfähigkeit von internationalen Organisationen erhöhen – Zweckbindungen runter, flexible Mittel rauf

Handlungsfähigkeit von internationalen Organisationen erhöhen – Zweckbindungen runter, flexible Mittel rauf

Die alljährliche Verleihung des Friedensnobelpreises ist die Würdigung einer Institution oder Person für ihre Verdienste für den Frieden in der Welt. Am 10. Dezember wird das Welternährungsprogramm (WEP) der Vereinten Nationen für den weltweiten Kampf gegen Hunger ausgezeichnet, jedoch wird die Preisverleihung von der aktuellen Debatte um den Bundeshaushalt 2021 überschattet.

Geplante Mittelkürzung beim Friedensnobelpreisträger 2021

Die Bundesregierung plant die Kürzung der Grundbeiträge für das WEP um 42 Prozent und das, während die Weltgemeinschaft auch weiterhin die großen Herausforderungen einer Pandemie zu meistern hat. Das ist ein fatales Signal, da insbesondere die wirtschaftlichen Auswirkungen von COVID-19 die Ärmsten der Armen mit voller Wucht treffen. Der informelle Arbeitssektor ist durch die verschiedenen Maßnahmen der Regierungen teilweise komplett zum Erliegen gekommen, was zwangsläufig zu einem Anstieg des weltweiten Hungers führt. Zur Abfederung dieser negativen Entwicklungen sind internationale Hilfsorganisationen auf ausreichend und vor allem flexible finanzielle Mittel angewiesen.

Höhe und Art der Finanzierung sind entscheidend

Die Finanzierungslücke des WEP betrug im Jahr 2020 immer noch 29 Prozent: Es stehen somit knapp ein Drittel weniger Gelder als benötigt zur Verfügung. Weniger finanzielle Mittel erfordern eine zunehmende Priorisierung zum Nachteil anderer wichtiger Projekte. Doch nicht nur die unzureichende finanzielle Ausstattung, sondern auch die Art und Weise der Finanzierung hat elementare Auswirkungen auf die Hilfe von Menschen in Not. Die Mitgliedsstaaten vergeben gerne Zweckbindungen auf ihre finanziellen Zuwendungen, wodurch sich unilaterale, rein staatliche Interessen, manifestieren. Hohe Zweckbindungen haben in der Regel niedrigere Grundbeiträge zur Folge. Es stehen folglich weniger flexibel einsetzbare Mittel für akut auftretende Notsituationen zur Verfügung, was zu ständig stattfindenden Geberkonferenzen der internationalen Gemeinschaft führt: Anstatt Gelder umwidmen zu können, müssen immer neue Mittel für neue Bedarfe eingesammelt werden. Es verstreicht wertvolle Zeit, die nicht zum Wohl der Notleidenden eingesetzt werden kann. Die Finanzierungslücke, als auch die hohen Zweckbindungen beschneiden internationale Organisationen in ihrer Unabhängigkeit und ihrer Handlungsfähigkeit.

Um genau diese Problematik abzumildern, bekannten sich 2016 in Istanbul große Teile der internationalen Gemeinschaft beim Humanitären Weltgipfel dazu, zukünftig wenigstens 30 Prozent der finanziellen Zuwendungen bis 2020 zu flexibilisieren. Doch diese internationale Vereinbarung veranlasste die Bundesregierung bisher nicht dazu, dem WEP mehr flexible Mittel zukommen zu lassen. Im Jahr 2019 waren mehr als 99 Prozent der humanitären Beiträge zweckgebunden. Diesen Missstand hat die FDP-Bundestagsfraktion erkannt. Sie reicht deshalb seit 2018 jährlich Änderungsanträge zur Erreichung eben jener Verpflichtungen vom Humanitären Weltgipfel im Bundestag ein. Leider waren diese Bemühungen bisher nicht fruchtbar.

Multilateralismus durch Taten stärken

Dabei stünde es Deutschland gut zu Gesicht, seinen Ankündigungen Taten folgen zu lassen. Gerade Bundesaußenminister Heiko Maas, der gebetsmühlenartig die Stärkung des Multilateralismus fordert, lässt leider konkrete Maßnahmen vermissen. Umso befremdlicher ist es, dass Deutschland bisher seine eigenen Zusagen vom humanitären Weltgipfel in Istanbul - trotz vieler eindringlicher Hinweise durch die Opposition wie denen der Freien Demokraten - nicht eingehalten hat. Gerade die Auswirkungen von COVID-19 zeigen uns derzeit die Notwendigkeit auf, dass höhere Grundbeiträge für Hilfsorganisationen dringender notwendig sind, denn je. Es wird endlich Zeit, die Zweckbindungen für den diesjährigen Friedensnobelpreisträger und allen weiteren internationalen Organisationen, bei denen die Zielmarke noch nicht erreicht worden ist, zu reduzieren. Deutschland würde damit einen entscheidenden Beitrag zur Erhöhung der Unabhängigkeit und der dringend notwendigen Stärkung der Handlungsfähigkeit multilateraler Organisationen leisten. Den Multilateralismus würden wir damit auch ganz konkret stärken.